Wie bildet ein ETF seinen Index nach?
ETFs bilden in aller Regel nur nach, wie sich die Werte eines Börsenindex entwickeln. Für diesen Nachbau, der im Fachjargon Replikation heißt, sind vor allem drei Verfahren gängig, nämlich die physische, die optimierte und die synthetische Replikation. Alle drei Verfahren haben durchaus ihre Berechtigung. Im Einzelfall kann es aber ziemlich kompliziert und schwer nachvollziehbar sein, wie genau ein ETF seinen Index nachbildet.
Andererseits ist das genutzte Verfahren kein maßgebliches Auswahlkriterium. Denn der rechtliche Rahmen ist bei allen Verfahren gleich. In diesem Beitrag erklären wir die grundsätzlichen Vorgehensweisen der drei Verfahren.
Wer genau wissen möchte, was mit dem Geld passiert, das er in einen ETF investiert, findet die entsprechenden Informationen im Verkaufsprospekt und im Jahresbericht des ETFs.
Inhalt
Die physische Replikation
Die physische Replikation wird auch vollständige Replikation genannt und meint, dass ein ETF tatsächlich alle die Wertpapiere besitzt, die der Index enthält, den der Fonds abbildet.
Verfolgt ein physisch replizierender ETF zum Beispiel die Wertentwicklung des DAX, enthält er also jederzeit Aktien der 40 im DAX notierten Unternehmen. Dabei entspricht der Anteil jeder einzelnen Aktie am Fondsvermögen der Gewichtung dieser Aktie im Index.
Wie ein Index zusammengesetzt ist, ändert sich regelmäßig. Denn mal werden Aktien neu aufgenommen, mal verlassen sie den Index. Solche Bewegungen spiegelt der ETF wider, indem er Wertpapiere kauft oder verkauft.
Ein großer Minuspunkt bei diesem Verfahren sind die Kosten. Das gilt vor allem bei Indizes mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aktien.
Der europäische Aktienindex DJ Stoxx 600 zum Beispiel setzt sich aus 600 Einzelaktien zusammen, während der MSCI World sogar über 1.600 Werte einschließt.
Um solche Indizes abzubilden, muss ein physisch replizierender ETF deshalb recht oft Aktien kaufen und verkaufen.
Doch das führt zu Gebühren und anderen Kosten. Weitere Nachteile können dadurch entstehen, dass die Dividenden besteuert werden oder sich die Dividendenzahlungen verzögern, obwohl das mit dem Index als solchem nichts zu tun hat.
Anbieter solcher ETFs behalten sich meist das Recht auf eine sogenannte Wertpapierleihe vor. Das bedeutet, dass sie die Aktien, die sich in ihrem Besitz befinden, verleihen können.
Welchen Anteil der Erträge davon die Anleger bekommen, ist im Verkaufsprospekt geregelt. Das Risiko der Wertpapierleihe unterliegt gesetzlichen Grenzen. Sie ist nämlich nur dann zulässig, wenn hochwertige liquide Sicherheiten gestellt werden.
Die optimierte Replikation
Bei der optimierten Replikation wird auch von einer physischen Replikation mittels Sampling gesprochen. Diese Form des Nachbaus basiert darauf, dass der ETF nur einen Teil der Wertpapiere besitzt, die in dem durch den Fonds abgebildeten Index enthalten sind.
Stellt ein ETF zum Beispiel die Wertentwicklung des MSCI All Country World oder des FTSE All World dar, besitzt er nicht die mehr als 3.000 im Index enthaltenen Aktien. Stattdessen trifft der ETF eine Auswahl.
Das Ziel des ETFs ist dadurch aber nicht gefährdet. Denn trotz der Einschränkung entspricht die Wertentwicklung fast genau der Entwicklung des Index.
Eine optimierte Replikation ist mit geringeren Kosten verbunden und dieser Vorteil soll den Nachteil der etwas kleineren Risikostreuung überwiegen.
Aus diesem Grund ist diese Form des Nachbaus das am weitesten verbreitete Verfahren. Die Wertpapierleihe findet genauso Anwendung wie bei der physischen Replikation.
Die synthetische Replikation
Bei der synthetischen Replikation baut der ETF einen Index nach, ohne dass er die Wertpapiere besitzt, die in dem Index enthalten sind. Ein ETF, der zum Beispiel den DAX abbildet, muss also nicht eine einzige Aktie aus dem DAX besitzen.
Stattdessen kann er aus komplett anderen Wertpapieren, aus einigen Anleihen oder auch nur aus einer einzigen Swap-Position bestehen.
Damit der ETF die Wertentwicklung des Indizes trotzdem nachvollziehen kann, nutzt er einen sogenannten Swap. Aus diesem Grund wird bei diesem Verfahren auch von Swap-ETFs gesprochen.
Beim Swap handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dem ETF und einer Investmentbank. Wird der ETF von einer Fondsgesellschaft herausgegeben, die zu einem Bankkonzern gehört, wird der Swap üblicherweise mit der Investmentbank des Bankkonzerns abgeschlossen.
Die Investmentbank verpflichtet sich durch die Vereinbarung dazu, dem Fonds jederzeit die Wertentwicklung des abzubildenden Index zu liefern. Im Gegenzug profitiert die Investmentbank von der Wertentwicklung der Wertpapiere, die der Fonds tatsächlich besitzt. Damit ist ein Swap nichts anderes als ein Tausch.
Durch die synthetische Replikation sollen die Kosten der Indexabbildung sinken. Als Nachteil wird oft die hohe Komplexität genannt. Ein Blick in die umfangreichen Verkaufsprospekte zeigt aber, dass letztlich alle Investmentfonds komplexe Geldanlagen sind.
Außerdem wird mitunter argumentiert, dass das Risiko höher wäre als bei physisch replizierenden Fonds, weil die Investmentbank als Swap-Vertragspartner zahlungsunfähig werden könnte.
Dadurch wäre ein Teil des Fondsvermögens verloren. Dieses Risiko besteht aber auch bei allen anderen Fonds. Denn der Kauf von Swaps und OTC-Derivaten ist gängige Praxis und auch bei der Wertpapieranleihe kann es passieren, dass der Vertragspartner zahlungsunfähig wird.
Was die laufenden Kosten betrifft, unterscheiden sich ETFs mit Swap kaum von anderen ETFs.
Die laufenden Kosten schließen sowohl die Kosten für die Swaps, die bei synthetischen ETFs anfallen, als auch die Kosten für mögliche Wertpapieranleihen bei den anderen Fonds ein.
Ein Wort zum Risiko
Manchen Anleger mag es wundern, dass Aktienfonds ihre Aktien verleihen, komplexe Derivate kaufen oder Swap-Vereinbarungen abschließen dürfen.
In der Praxis beschränken laut Verkaufsprospekt nur die wenigsten Fonds ihren Anlagehorizont und schließen Wertpapieranleihen oder Swap-Vereinbarungen aus.
Durch Vorgaben, die EU-weit gelten, ist das Risiko, das durch solche Anlagestrategien entstehen kann, auf zehn Prozent des Fondsvermögens begrenzt.
Eintreten würde das Risiko aber ohnehin nur dann, wenn die Sicherheiten, die für eine Wertpapierleihe oder Swap-Vereinbarung hinterlegt werden müssen, wertlos würden. Bislang ist das aber noch nie passiert.
Wer eventuelle Interessenkonflikte ausschließen will, die zwischen der Fondsgesellschaft und der Investmentbank desselben Konzerns bestehen könnten, sollte auf ETFs von Anbietern zurückgreifen, die keinem Bankkonzern angehören.
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